Philip berichtet von seinem Freiwilligendienst im Kinderhaus Árbol de la Esperanza in Quito, Ecuador

Wenn ich mein freiwilliges soziales Jahr beschreiben sollte, wüsste ich nicht, wo ich anfangen soll. Fragt mich meine Familie, dann sage ich es war super, es war toll, es war lehrreich. Rückblickend würde ich auch dazu stehen. Ich konnte in diesem Jahr lernen, eigenständig zu leben und Verantwortung für mich zu übernehmen. Gleichzeitig habe ich eine neue Kultur kennen lernen können und ich habe eine neue Sprache gelernt. Genau das habe ich mir von diesem Jahr erwartet. Aber dann gab es noch so vieles, was ich nicht ansatzweise erwartet habe. Es war ein Jahr mit vielen schönen Momenten, aber auch mit vielen Schwierigkeiten und Herausforderungen. Ich mache euch nichts vor. Es gab Momente in denen ich mich gefragt habe: „was mache ich eigentlich hier?“. Und dann war es doch für mich praktisch eine Katastrophe, als ich erfahren habe, dass wir ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Ende des Jahres zurück fliegen mussten.

 

Gerade in diesem Moment, als es sich für mich abgezeichnet hat, dass es jetzt vorbei sein wird, habe ich begriffen, wie gerne ich in Ecuador bin. Von diesem Augenblick an kann ich mich nur noch an die schönen Momente des halben Jahres erinnern. Einen dieser Momente würde ich auch gerne mit euch teilen:

 

Es war ein klassischer Tag im Heim – einer der Tage, an dem der Heimalltag vergleichbar mit dem Alltag des Berichtes „2016/2017“ war. Ich begann an diesem Tag recht früh und habe mich schon auf den Feierabend gefreut. Ich saß zu diesem Zeitpunkt gerade mit einigen Kindern vor dem Fernseher. Kurz vor meinem Feierabend kam aber Bine rein und hat mich gefragt, ob ich mit zwei Jungs und dem Psychologen zu deren Eltern fahren will. Ich sollte von dort aus mit den beiden Brüdern wieder zurück zum Heim fahren. Das habe ich mir natürlich nicht zwei Mal sagen lassen. Ich wollte schon die ganze Zeit einmal die Erfahrung machen, mit Kindern deren Eltern zu besuchen. Wir sind also hinunter gegangen und mit dem Psychologen in die Richtung der Familie der Jungs gefahren. Kaum saßen wir im Auto, drückte mir der älterer der Brüder ein Spielzeug in die Hand, das der kleinere kaputt gemacht hat und forderte mich auf, es zu reparieren. Ich war die Fahrt über also gut beschäftigt, während die Jungs herumalberten. Nach kurzer Zeit sind wir dann auch in dem Viertel angekommen, in dem die Familie wohnt. Ich war schon sehr gespannt und habe mich gefreut, die Familie der Brüder kennen zu lernen.

 

Auf dem Weg zum Haus kam uns schon eine Tante der Geschwister mit ihrem Baby auf dem Arm entgegen. Die Jungs sind sofort aus dem Auto gesprungen und haben sich liebevoll mit dem Baby beschäftigt. Wir sind also angekommen. Ich sollte mit den Brüdern von hier aus vorausgehen. Der Psychologe suchte derweilen einen Parkplatz. Bei dem Empfang der Kinder durch die Familie war ich aber überrascht. Während der jüngere der Brüder stürmisch empfangen wurde, wurde der ältere fast übergangen. Mich hat diese Ungleichbehandlung sehr mitgenommen, den älteren Bruder schien das aber nicht weiter zu stören. Die Wohnung der Familie war sehr voll geräumt und für die Anzahl der Bewohner recht klein. Ich hatte aber nicht viel Zeit, mir die Wohnung genauer anzusehen, da wir alle in die Küche gebeten worden sind. Es gab Würstchen mit Pommes und dazu irgendein süßes Getränk. Eigentlich wollte ich die fettigen Pommes dankend ablehnen, da erinnerte ich mich an den Rat, dass es unhöflich sei, etwas abzulehnen. Wir haben also gegessen, getrunken und ich konnte mitverfolgen, wie die Kinder sich lebhaft mit ihrer Familie unterhielten. Immer wieder wurde ich gefragt, ob die Kinder auch schön brav seien. Ich kam immer nur dazu, die Fragen einsilbig zu beantworten bevor schon die nächste Frage gestellt worden ist. Es war eine sichtbar schöne Zeit für die Kinder und auch eine sehr schöne Zeit für mich. Auch wenn sich mein Magen langsam über das fette Essen beschwerte.

 

Nach dem Abendessen, mir wurden noch drei Nachschläge angeboten, wurden wir von dem Psychologen zu der nächsten Bushaltestelle gefahren. Von dort aus sollten wir allein zum Heim zurück. Die Kinder waren sehr gut gestimmt. Der Abend war warm und klar. An der überfüllten Bushaltestelle stand ich also mit den zwei Brüdern in einem so weit entfernten und mittlerweile doch so vertrauten Land.

 

Es war wohl einfach etwas besonders. Es war ein besonderes Jahr. Vielleicht trifft es das am besten. All die Erfahrungen zu sammeln war nicht einfach. Es ist nie ganz einfach, etwas Neues zu lernen, ich kann das auch in meinem Studium bestätigen. Schon gar nicht einfach ist es, zu lernen, selbständig zu werden. Aber in diesem Jahr konnte ich das auf einem außergewöhnlichen Weg lernen, den ich gerne weiter empfehlen würde.